Der Mythos
Die Nymphe Eurydike ist mit dem Sänger Orpheus verheiratet. Nachdem sie auf der Flucht vor Aristaios durch einen Schlangenbiss getötet wurde, stieg Orpheus in die Unterwelt hinab und versuchte durch seinen Gesang und das Spiel seiner Lyra den Gott Hades und Persephone zu bewegen, ihm seine Geliebte wiederzugeben. Dies wurde ihm mit der Einschränkung, er dürfe sich auf dem Weg zur Oberwelt nicht zu ihr umdrehen, gebilligt.
Als sich Orpheus trotzdem aus Sorge nach ihr umschaute, sank sie wieder in die Unterwelt hinab.
Wer kennt sie nicht, die klassische Sage von “Orpheus und Eurydice”?
In seiner 1858 in Paris entstandenen Operette verspottet Offenbach in einer Mischung aus frechem Boulevard und großer Oper, prickelnder Erotik und elektrisierenden Rhythmen den antikisierenden Götter- und Heroenkult und das Bildungsgehabe der bürgerlichen Gesellschaft jeglicher Zeit.
Wenn auch die Kritik “damals” auf die Anzüglichkeiten und Respektlosigkeiten empört reagierte, hatte doch das Publikum sein Vergnügen an einer kräftigen Brise von anarchischer Schadenfreude und schwarzem Humor über die Verlogenheit der Welt. Offenbach lässt das Original auf den Kopf stellen: Statt um seine gerade verstorbene Gattin zu trauern, freut sich Orpheus, dass seine Eurydice in der Unterwelt gelandet ist. Erst die “öffentliche Meinung” zwingt ihn dazu, den Schein zu wahren und sie zurückzuholen. Die gelangweilte Ehefrau hat sich an der Seite Plutos die Hölle auch aufregender vorgestellt. Jupiter, ebenfalls unglücklich verheiratet, entschließt sich, die entführte Gattin von Orpheus aus der Unterwelt zu holen, indem er sich selbst dorthin bemüht. Doch was ist sein Plan mit Eurydice? Wird er den tragischen Schluss der Sage zulassen? Oder gibt es für alle ein überraschendes “Happy End”?
Die Pramtaler Sommeroperette kehrt im 10. Jahr ihres Bestehens zum Jubiläum mit diesem Operetten-Klassiker zu den Wurzeln des Genres zurück in einer neuen Fassung voller Anspielungen auf unsere Gegenwart…
Für Menschen von 12 bis 112 Jahren!
Der Inhalt der Operette
Erster Aufzug (erstes Bild)
Das Ehepaar Orpheus und Eurydike hat sich auseinandergelebt. Der Musiklehrer und Geiger Orpheus betrügt seine Frau mit der Nymphe Chloé. Er hätte sich längst von seiner ungeliebten Gattin getrennt, wäre da nicht die Öffentliche Meinung. Eurydike, die ein gelangweiltes Leben führt, weiß das, und es stört sie nicht weiter. Auch sie hat einen Geliebten, den Schäfer und Imker Aristeus. Eurydike weiß jedoch nicht, dass ihr Liebhaber Aristeus tatsächlich Pluto, der Herr der Unterwelt, ist. Pluto will seine Geliebte in die Unterwelt entführen und wartet auf einen günstigen Zeitpunkt. Nach einem heftigen Streit zwischen den Eheleuten sieht Pluto seine Zeit gekommen. Als Orpheus die Nachricht erfährt, dass sich Eurydike in der Hölle befindet, ist er erfreut. Er denkt, endlich frei zu sein von seiner Frau, und will die gute Nachricht sofort seiner Geliebten überbringen. Doch da tritt ihm die Öffentliche Meinung in den Weg und fordert ihn auf, seine Ehefrau von Jupiter,
dem obersten Gott, zurückzufordern. Wieder kann sich die Öffentliche Meinung durchsetzen, und sie begleitet Orpheus hinauf auf den Olymp.
Erster Aufzug (zweites Bild)
Auf dem Götterberg Olymp.
Auch bei den Göttern herrscht Langeweile und Überdruss. Jupiter vergnügt sich ungeniert mit jungen Frauen. Juno, die Gemahlin Jupiters, macht ihrem Göttergatten eine Szene. Auf Erden sei eine wunderschöne Frau von einem Gott entführt worden. Jupiter streitet ab, etwas mit dieser Entführung zu tun zu haben. Da kommt Merkur, der Götterbote, mit der Nachricht, Pluto sei eben von einem Aufenthalt auf Erden mit einer wunderschönen Frau namens Eurydike in die Unterwelt zurückgekehrt. Jupiter ist erfreut, ist er doch durch diese Nachricht vorerst der Vorwürfe enthoben. Um seiner Unschuld Nachdruck zu verleihen, zitiert er Pluto aus der Unterwelt auf den Olymp. Pluto erscheint vor dem obersten Gott, doch er leugnet die Entführung. Da erscheint Orpheus zusammen mit der Öffentlichen Meinung und fordert seine Frau zurück. Jupiter beschließt, die Sache in der Unterwelt genauer zu untersuchen. Er will Eurydike aus der Unterwelt holen, aber nicht für Orpheus, sondern für sich selbst. Die gesamte Götterschar folgt ihm in Plutos Höllenreich.
Zweiter Aufzug (Drittes Bild)
Unterwelt
Hier hält Pluto die entführte Eurydike versteckt. Bewacht wird sie von Hans Styx, dem stets
betrunkenen Diener Plutos. Hans Styx umwirbt die Schöne und erzählt ihr von seiner Zeit in Reichtum und Pracht als Prinz von Arkadien. Doch Eurydike lässt das kalt. Sie sehnt sich zurück zu ihrem Mann auf Erden. Der Reiz des Abenteuers ist bereits verblasst.
Die vom Olymp in der Unterwelt eingetroffenen Götter können das Versteck der Eurydike zunächst nicht finden. Doch Jupiter ist misstrauisch. In Gestalt einer Fliege kommt er durchs Schlüsselloch und entdeckt Eurydike. Er scharwenzelt um sie herum, gibt sich als oberster Gott zu erkennen und verspricht ihr, sie zu befreien und mit auf den Olymp zu nehmen.
Zweiter Aufzug (Viertes Bild)
Pluto gibt ein Höllenfest. Es wird getanzt und getrunken. Jupiter erntet allgemeinen Beifall mit einem Menuett, das sich alsbald zu einem wilden Cancan steigert. Eurydike ist als Bacchantin auf dem Fest. Abermals wird die göttliche Gesellschaft von den Sterblichen gestört. Wieder fordert Orpheus in Begleitung der Öffentlichen Meinung von Jupiter seine Frau zurück. Jupiter gibt dem Wunsch nach, aber er stellt eine Bedingung:
Wenn Orpheus vor Eurydike in die Oberwelt hinaufsteige, dürfe er sich nicht nach seiner Gattin umwenden.
So beginnt der Marsch in Richtung Oberwelt: die Öffentliche Meinung, dann Orpheus und Eurydike, von Hans Styx geführt. Doch als sie das Tor erreichen, schleudert Jupiter einen Blitz. Orpheus dreht sich erschrocken herum und hat damit seine Frau verloren. Aber auch Pluto soll Eurydike nicht haben, und so bestimmt Jupiter: Nein, eine Bacchantin mach’ ich jetzt aus ihr.
Wir, die Pramtaler Sommeroperette, verstehen uns als das interessanteste kammermusikalische Operettenfestival im süddeutschen Sprachraum. Weil wir Operette als ernstzunehmendes Genre begreifen und im ländlichen Raum einen niederschwelligen Zugang zur sogenannten „Hochkultur“ bieten.